Arbeit mit allen Sinnen

Angehende Sattler erlernen einen traditionsreichen Beruf. Hier ist Geschick mit Nadel und Leder gefragt – ganz egal, ob man sich um Sättel oder Oldtimerpolster und Cabrioverdecke kümmert.

119088846.jpg

Leder zu nähen ist keine leichte Aufgabe: Sattlermeister Steffen Würtz (links) schaut seiner Auszubildenden Jasmin Kölle bei der Arbeit an einem Sattel über die Schulter. Bild: Christoph Schmidt/dpa

Von Verena Wolff, dpa

Brackenheim/Nürnberg. Wenn Jasmin Kölle an ihrer Werkbank sitzt, hat sie oft schwierige und zugleich schwere Arbeit vor sich. Die 24-Jährige macht eine Ausbildung zur Sattlerin – und ihre Leidenschaft gilt den Pferdesätteln. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Ausbildung gibt es in drei Fachrichtungen: Reitsportsattlerei, Fahrzeugsattlerei und Feintäschnerei.

Jasmin Kölle beschäftigt sich in erster Linie mit klassischen Sätteln, den Kontakt zu den Pferden hat sich von frühester Kindheit durch ihre Familie. „Die Pferde waren immer wichtig, aber ich wollte keine Berufsreiterin werden“, sagt die 24-Jährige. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für ein Studium der Pferdewirtschaft in Nürtingen. Den Bachelor hat sie so gut wie abgeschlossen – und nun doch noch beschlossen, eine klassische Ausbildung zu beginnen. „Ich habe verschiedene Praktika gemacht, und der Beruf fasziniert mich noch immer“, sagt sie. Für sie ist er eine Kombination aus Kreativität und Handwerk. Ein weiteres Plus für die 24-Jährige: Sie muss nicht am Schreibtisch sitzen.

Ähnlich sieht das ihr Chef Steffen Würtz, der seit vielen Jahren in Brackenheim bei Heilbronn eine Sattlerei betreibt. Er ist Fachobmann für den Reitsport im Bundesverband Fahrzeugausstattung und Reitsportausrüstung. Würtz ist nach der Schule zunächst Zimmermann geworden, ehe er in einer zweiten Ausbildung das Handwerk des Sattlers gelernt hat. „Das handwerkliche Geschick habe ich vom Opa geerbt, einem Landwirt, der vieles selbst gemacht hat.“

Geschick gefragt

Viel mehr als Noten und andere Formalitäten interessiert Würtz daher, ob Bewerber sich geschickt an Nadel und Leder anstellen. Neben dem Handwerk muss die Motivation stimmen. „Wenn man selbst reitet, erleichtert das sicher einiges, weil man weiß, worauf es ankommt“, erläutert er. Das sei aber kein Muss. In den seltensten Fällen fertigen die Sattler heute noch komplett neue Sättel, vielmehr müssen sie bestehende reparieren oder anpassen. Ein kompletter Sattel ist ein Meisterstück, in dem 40 Stunden Arbeit stecken. Im Geschäft kostet er mindestens 4000 Euro, nach oben gibt es keine Grenzen. Kölle betont, wie viel Konzentration dafür nötig ist. Denn die Löcher für die Nähte müssen im Leder vorgebohrt werden. „Wenn man sich vertan hat, kann man nur noch versuchen, sein Werkstück zu retten“, erzählt die Auszubildende.

Das Gesellenstück ist daher ein Halfter oder ein Kopfstück. Zunächst gehe es in der Ausbildung darum, mit dem Werkstoff Leder umzugehen, Handnähte zu machen und mit den speziellen Maschinen zu nähen, erklärt Würtz. „Leder ist sehr komplex, keine zwei Stücke sind gleich. Das muss man mit allen Sinnen bearbeiten und auch eine gewisse Erfahrung haben.“

Auch angehende Fahrzeugsattler müssen das können und wissen – und doch ist die Arbeit eine andere. „Die meisten Auszubildenden kommen über die Autoschiene in diesen Bereich, sie sind technikaffin“, sagt Dieter Augustin. Er ist Obermeister bei der Raumausstatter- und Sattler-Innung in Mittelfranken. Fahrzeugsattler arbeiten nicht nur mit Leder, sondern mit verschiedenen Stoffen. Sie stellen etwa Cabrioverdecke und Planen her und reparieren diese.

Noten nicht entscheidend

Bei der Auswahl der Auszubildenden achten die Unternehmen nicht extrem auf die Noten ihrer Bewerber, da sind sich die Experten einig. Praktisches Verständnis sei unerlässlich. „Normalerweise reicht für die Ausbildung ein Hauptschulabschluss“, so Augustin. Von ihrem Schulwissen hat auch Jasmin Kölle nicht allzu viel mit in die Ausbildung bringen müssen. „Die Fachbegriffe muss man ohnehin neu lernen“, sagt sie. Etwas künstlerisches Talent sei gut, um die Werkstücke skizzieren zu können. „Ein bisschen Mathe muss sein“, sagt ihr Chef. Damit man Flächen berechnen oder die Kreisformel anwenden kann. Zudem sei es von Vorteil, wenn man ein gutes Auge hat, um sich Zeichnungen als dreidimensionale Werkstücke vorstellen zu können.

Neben Reitsport- und Autosattlern gibt es auch noch den Täschner, der Aktenkoffer oder eben Taschen und Geldbeutel fertigt und repariert. „Den Säckler trifft man vor allem in Bayern noch an“, sagt Augustin. Diese Sattler sind Experten für die regionale Tracht, die Lederhose.

BEZAHLUNG

Die Ausbildungsvergütung ist nicht überall tariflich geregelt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit liegt sie etwa bei 480 bis 650 Euro im Monat. In der Industrie kann die Vergütung mit 800 bis 870 Euro monatlich deutlich höher liegen. Ausgebildete Fachkräfte verdienen im Schnitt etwa 2300 bis 3000 Euro pro Monat. Auch wenn es ein traditionelles Handwerk ist – der Beruf erfreut sich recht großer Beliebtheit, und sogar im Ausland sind die Fachleute gesucht. (dpa)

119088845.jpg

Jasmin Kölle ist angehende Sattlerin. Selbst zu reiten, bringt in der Fachrichtung Reitsportsattlerei Vorteile – denn dann wissen die Azubis, worauf es ankommt. Bild: Christoph Schmidt/dpa


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.