Auf der Lok werden Träume wahr

Lokführer bewegen rund 1300 PS starke Züge. Zum Beruf gehört aber weit mehr, als nur Schalthebel zu drücken. Wer den Beruf erlernen will, muss erstmal die Richtlinien pauken.

120498307.jpg

Hier arbeiten Eisenbahner im Betriebsdienst: Auf dem größten Rangierbahnhof Europas in Maschen werden täglich bis mehrere Tausend Wagen bewegt. Bild: Markus Scholz/dpa

Von Anke Dankers, dpa

Maschen. Es gibt Berufe, die viele Kinderaugen zum Leuchten bringen. Feuerwehrmann gehört zweifelsohne dazu, auch Polizist, Tierarzt oder Fußballprofi. Und dann ist da noch der Lokführer – der Traum vom Dauerplatz im 1360-PS-Gefährt. Auch Fabian Kynast und Concetta Schmied gehören zu jenen, die sich schon früh für Züge, Loks und Bahnhöfe begeisterten. Die Modellbahn war ihr Kinderspielzeug – und Lokführer soll nun ihr Beruf sein.

Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Lokführer und Transport heißt die dreijährige Ausbildung offiziell. Sie umfasst viel mehr als nur das Fahren von Zügen. „Es ist nicht nur so, dass ich eine Faszination für die Maschinen habe. Das Bewegen von Fahrzeugen, mit den Kollegen und Kunden zusammenzuarbeiten, das sind schöne Herausforderungen“, sagt Concetta Schmied, die ihre Ausbildung vor einem halben Jahr begonnen hat.

Fast 20 Prüfungen

Herausforderungen – genau die reizen die 18-Jährige am Beruf. „Bei schlimmstem Wetter, bei größtem Gefälle oder auf verschiedenen Loks zu fahren.“ Um auf Eventualitäten wie diese vorbereitet zu sein, müssen die Auszubildenden Regelwerke mit rund zweitausend Seiten lernen und in fast 20 internen Prüfungen sowie der Handelskammerprüfung ihr Wissen unter Beweis stellen.

Fabian Kynast hat die meisten dieser Hürden schon genommen. Der 19-Jährige ist im dritten Lehrjahr und steht kurz vor Abschluss seiner Ausbildung. „Die schweren Züge zu fahren, frei zu sein und die Technik dahinter“ machen den Beruf des Lokführers für ihn aus. Schwer fällt ihm das heute nicht mehr, aber „man muss sich schon reinhängen, viele Dinge lesen, verstehen und durch den Kopf gehen lassen“, sagt er.

Die Eisenbahner arbeiten direkt mit und an den Zügen. Im Rangierbahnhof Maschen sind sie dafür verantwortlich, die Güterzüge vorschriftsmäßig zu bilden, zu kontrollieren und zu bewegen. Sie fahren die Rangierloks, prüfen die Wagen und Bremsanlagen, kuppeln Zugeinheiten an und ab und rangieren mit Hilfe von Handsignalen oder Funkkontakt. Auf dem größten Rangierbahnhof Europas werden täglich bis zu 3500 Wagen bewegt. Ausgebildete Lokführer können aber auch auf der Strecke eingesetzt werden.

Ob bei Rangier- oder Passagierfahrten – damit die Sicherheit der Mitarbeiter und Mitfahrer gewährleistet werden kann, müssen sich Lokführer bei ihrer Einstellung einem Eignungstest unterziehen. Es werden zum Beispiel Sehund Hörvermögen getestet, und ein allgemeiner körperlicher Check durchgeführt. Auch eine psychologische Untersuchung gehört dazu, etwa mit Aufgaben zu Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Mathematik oder logischem Denken.

Großer Bedarf

Laut Informationen der Deutschen Bahn verdienen Auszubildende je nach Lehrjahr zwischen 904 und 1109 Euro monatlich, dazu kommen Weihnachtsgeld und Zulagen. Die Weiterbildungsmöglichkeiten reichen vom Ausbilder über Disponenten bis hin zum Meister für Bahnverkehr. Nachwuchs-Lokführer sind gesucht, denn es gibt viele unbesetzte Stellen. Das hängt auch mit den Arbeitsbedingungen zusammen: Die Lokführer arbeiten im Schichtdienst, der Beruf ist körperlich und psychisch fordernd – schließlich tragen die Zuglenker große Verantwortung. Der Streit um die Tarifkonditionen hatte 2015 zu wiederholten Streiks der Lokführer geführt.

„PVG, CDD, MPS.“ Die Stimme von Fabian Kynast überschlägt sich fast, wenn er die Kurzbezeichnungen für Produktionssysteme wiedergibt. An der Rangierlok ist der 19-Jährige ganz in seinem Element. Wagenlänge, Reihenfolge, Zuglage – während die Zahlen und Daten auf der Wagenanschrift Laien in Ratlosigkeit versetzen, ist für Kynast mit einem Blick alles klar. Doch Lernen allein reicht nicht für den Beruf des Lokführers. „Wir sind ein Betrieb, der auf Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit achtet. Außerdem sollte man keine Angst davor haben, sich dreckig zu machen. Für einen Eisenbahner gibt es kein schlechtes Wetter“, sagt Gerda Groß, Leiterin für berufliche Erstausbildung bei DB Cargo.

Technisches Grundverständnis, Lernbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein gehören für sie genauso zum Repertoire der Auszubildenden wie die Bereitschaft zum Schichtdienst.„Wichtig ist, dass man keine Angst, aber den nötigen Respekt hat. Wir bewegen ja viele Tonnen an Fahrzeugen und Gütern. Ein bisschen Geduld gehört auch dazu, für extreme Hektiker ist das hier nichts“, ergänzt Daniel Krause, Ausbildungslokführer. Mit ihm an ihrer Seite darf Concetta Schmied heute das erste Mal eine Lok bewegen. Unter Anleitung und mit großer Vorsicht legt sie die Hebel um.

Ein Blick auf die Knöpfe und Schalter, ein Blick auf den Verkehr – dann schiebt sich die Maschine langsam auf den Schienen voran. Die Konzentration steht ihr ins Gesicht geschrieben. Erst später wird sie trocken sagen: „Es war ganz gut.“ Das Funkeln ihrer Augen wird verraten, dass hier und heute ein kleiner Kindheitstraum wahr geworden ist. 

120498363.jpg

Schichtdienst auf Schienen: Fabian Kynast und Concetta Schmied machen beide eine Ausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst. Bild: Markus Scholz/dpa


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.