Büffeln nach Feierabend

(dpa/tmn) Ein kleines Zimmer im Wohnheim, überfüllte Hörsäle und Schlangen in der Mensa – Tobias Klatte hatte auf all diese Dinge, die ein Studentenleben ausmachen, keine Lust. Nach dem Abitur wollte der Lübecker sofort ins Berufsleben starten. Deshalb entschloss er sich, eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann zu machen – und nebenbei zu studieren. Von nun an ging der Azubi an drei Abenden in der Woche zu den Vorlesungen, jeweils von 18 bis 21 Uhr. Während Freunde feierten, büffelte Klatte für den Bachelor in Betriebswirtschaft.

Abstriche machen

„Im Grunde ist das eine Dreifach-Belastung aus Studium, Job und Privatleben“, erzählt der heute 28-Jährige. „Das geht nur, wenn man bereit ist, im Privaten Abstriche zu machen.“ Doch das hat ihn nicht davon abgehalten, auch seinen Master neben dem Beruf zu machen. An der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Hamburg studiert Klatte nun Personalwesen. Die Vorlesungen finden alle zwei Wochen statt, jeweils von Donnerstag bis Samstag. Ein System, das ihm mehr liegt als ein reines Abendstudium: „So kann ich mich intensiver auf das Thema vorbereiten.“ Auch für Prüfungen muss er nicht extra freinehmen.

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Im Netz und im Hörsaal: Die FOM Hochschule setzt auf einen Mix aus Online-Unterricht und Vorlesungen oder
Seminaren vor Ort. Bild: Christian Stelling/FOM Hamburg/dpa-tmn

Mit 46000 Studenten ist die FOM die größte private Hochschule Deutschlands. Sie hat sich ganz auf Berufstätige spezialisiert. „Wer bereits arbeitet, möchte in der Regel nicht seinen Beruf und damit sein Einkommen aufgeben, um zu studieren“, erklärt Professor Burghard Hermeier, der Rektor der Hochschule. Um Job und Studium unter einen Hut zu bringen, gibt es verschiedene Modelle. Viele Angebote setzen auf das sogenannte Blended Learning, also eine Kombination aus Präsenzund Fernstudium. Welche Studienform zum eigenen Lernstil passt, ist letztlich aber auch eine Typfrage. Auch die FOM setzt auf einen Mix aus Online-Service und Unterricht vor Ort: „Die Präsenzlehre ist für uns der Dreh- und Angelpunkt des Studiums“, sagt Hermeier. Sie ermöglicht den Austausch mit Dozenten und Kommilitonen, die oft selbst bereits über Berufserfahrung in ihrem Gebiet verfügen. „Unsere Studenten wollen ja gerade praxisbezogenes Wissen und keine reine Theorie.“

Rund zwei Prozent der Studenten in Deutschland studieren berufsbegleitend. „Darunter fallen jedoch nur Studienangebote, die speziell auf Berufstätige zugeschnitten sind“, erklärt Sigrun Nickel, Leiterin des Bereichs Hochschulforschung beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Hinzu kommen noch Teilzeitstudiengänge oder das duale Studium, das in eine praktische Ausbildung im Betrieb integriert ist. Manche erwerben ihren ersten akademischen Titel berufsbegleitend – oft direkt im Anschluss an eine betriebliche Ausbildung. Andere legen noch einen berufsbegleitenden Master drauf. Die meisten Angebote gibt es im Bereich Betriebswirtschaft, zunehmend auch bei Gesundheitsbe- rufen oder in der sozialen Arbeit.

„Das berufsbegleitende Studium geht überwiegend auf die Privatinitiative der Studierenden zurück“, erzählt Hermeier. Manche würden ihrem Chef erst gar nichts davon erzählen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Dennoch rät der Hochschullehrer dazu, die Firma frühzeitig in die Pläne einzubeziehen. „Das wird in der Regel sehr positiv aufgenommen.“ Oft unterstützt der Arbeitgeber das Vorhaben – etwa indem er dem Mitarbeiter vor wichtigen Prüfungen freigibt. Eher selten übernimmt die Firma sogar einen Teil der Studiengebühren.

Auch Klatte hat über sein Studienvorhaben mit dem Arbeitgeber gesprochen. Eine richtige Entscheidung: Nun bekommt er für das Studium zehn Tage zusätzlichen Bildungsurlaub im Jahr. Außerdem schießt der Arbeitgeber etwas mehr als 2000 Euro zu den Studienkosten zu – abhängig von den Noten, die Klatte schreibt. Rund 350 Euro Gebühren zahlt der Student jeden Monat an die FOM, für das gesamte Studium sind es rund 12000 Euro. „Aber einen Teil davon kann man sich ja auch von der Steuer wiederholen.“ Denn wer berufsbegleitend studiert, kann das als Weiterbildungskosten absetzen.

Meist erhebt die Hochschule die Gebühren für einzelne Module; die Studienordnung regelt dann, wie viele Module für den Abschluss nötig sind. „15000 Euro für ein berufsbegleitendes Studium sind keine Seltenheit.“ Hinzu kommt: Wer einem Beruf nachgeht und nur nebenbei studiert, hat keinen Anspruch auf Bafög. Auch Studienkredite richten sich nicht an berufstätige Studenten. „Das hat eine enorme Selektionswirkung. So ein Studium muss man sich erstmal leisten können.“ Mit einem schlecht bezahlten Job ist das oft nicht möglich.

20 Stunden pro Woche

Trotz der Mehrfachbelastung brechen nur wenige ab. „Viele treffen die Entscheidung sehr bewusst und wissen auch, was da auf sie zukommt“, erzählt Nickel. Außerdem sind bei einem Abbruch auch die bereits angefallenen Studiengebühren verloren. An der FOM schließen 80 Prozent das Studium erfolgreich ab. Doch das heißt auch: Jeder Fünfte bewältigt das Pensum nicht. „Teilweise liegt das an der fehlenden fachlichen Eignung, aber oft auch am Zeitmanagement“, sagt Hermeier. Knapp 20 Stunden pro Woche sollten Studierende für das Studium einplanen – etwa die Hälfte davon für die Präsenzphasen.

Im Job voranzukommen, ist ein Grund für ein berufsbegleitendes Studium. „Doch mindestens ebenso wichtig ist es vielen Studenten, sich persönlich weiterzuentwickeln“, sagt Nickel. Da es keine Absolventenstudien speziell für das Studium neben dem Beruf gibt, lässt sich nicht klar sagen, ob sich die Investition für den einzelnen stets rechnet. Fest steht: In Hochschulbildung zu investieren, lohnt sich oft. So verdienen Akademiker nicht nur besser, auch die Arbeitslosenquote ist unter Hochschulabsolventen extrem niedrig.


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