Jobs mit aggressiven Kunden

(dpa/tmn) Höflichkeit, Freundlichkeit und Respekt sind im Job eigentlich Pflicht. Und vor allem im Kontakt mit Kunden. Doch nicht immer schallt es so aus dem Wald heraus, wie man hineinruft: In einigen Berufen haben Beschäftigte ein erhöhtes Risiko, angepöbelt, beleidigt und im schlimmsten Fall sogar körperlich angegriffen zu werden. Hundertprozentige Sicherheit am Arbeitsplatz kann kein Chef seinen Mitarbeitern garantieren. Aber es gibt Vorsichtsmaßnahmen - und oft auch Notfallpläne.

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Ungebremst aggressiv: Für manche Berufstätige sind solche Begegungen trauriger Alltag –umso wichtiger ist, dass sie dafür gut geschult sind. Bild: dpa-tmn

Pläne für Notfall

Es war im September 2012, als ein 52-Jähriger im Jobcenter in Neuss mit zwei Messern eine Mitarbeiterin angriff. Die 32-jährige Mutter starb wenig später im Krankenhaus. Die Bluttat löste bundesweit Entsetzen aus – und hatte nicht zuletzt zur Folge, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Jobcentern weiter erhöht wurden.

Mitarbeiter nehmen beispielsweise regelmäßig an speziellen Trainings teil: „Solche Deeskalationsschulungen gibt es bei uns seit jeher, und sie werden auch ständig auf den Prüfstand gestellt“, sagt Jürgen Hennigfeld vom Jobcenter Düsseldorf. In einem Rollenspiel üben Teilnehmer dabei etwa, in einer emotional aufgeladenen Situation dem Gegenüber zuzuhören, Wertschätzung zu signalisieren und auf das Gesagte gefühlvoll einzugehen.

Negative Bewertungen und Vorwürfe seitens des Mitarbeiters müssen dabei außen vor bleiben. Bemerkungen, die den Redefluss des Kunden hemmen könnten – etwa „Was für ein Unsinn!“ oder „Wie konnten Sie bloß?“ – sollten vermieden werden. So kann der Kunde im wahrsten Sinne des Wortes Dampf ablassen. Anschließend sichert der Beschäftigte seinem Gegenüber zu, nach einer Lösung zu suchen.

Neigt ein Jobcenter-Besucher zu Gewalt, hilft das eventuell aber nicht mehr. Für solche Fälle gibt es in vielen Behörden inzwischen Notfallpläne. Dazu gehört etwa, dass der Beschäftigte von seinem Schreibtisch aus jederzeit schnell durch eine Tür ins Nachbarbüro gelangen kann. An vielen PCs gibt es kleine Knöpfe, über die hausintern ein Alarm ausgelöst wird. Grundsätzlich gilt zudem: In Amtsstuben mit Kundenverkehr sollten gefährliche Gegenstände wie etwa Scheren oder Brieföffner nicht offen herumliegen.

„Jobcenter-Besucher, die gegenüber Beschäftigten körperlich gewalttätig werden, sind zum Glück Einzelfälle“, betont Hennigfeld. Bei der Polizei ist das anders: Die Einsatzkräfte müssen regelmäßig anderen helfen, die in Gefahr sind – und gleichzeitig darauf achten, dass sie nicht selbst zum Opfer werden. „Das situationsgerechte Verhalten wird in taktischen Trainings immer wieder realitätsnah erprobt und ist zentraler Bestandteil der Aus- und Fortbildung von Polizisten“, erklärt Victor Ocansey vom Landesamt für Ausbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen.

Polizisten sind prinzipiell im Team unterwegs, während des Einsatzes kommunizieren sie durch Blicke und Zeichen miteinander. In einer Gefahrensituation hat es für die Einsatzkräfte Priorität, mögliche Opfer in Sicherheit zu bringen. Dann geht es darum, die Situation zu entschärfen. „Eine direkte Ansprache des Täters oder der Täter ist dabei das A und O“, so Ocansey. Dabei ist auch die Stimmlage wichtig. Zunächst ist der Tonfall etwa begütigend und dann, wenn es die Situation erfordert, bestimmter.

Technik und Kurse

Auch im öffentlichen Personennahverkehr müssen Fahrer und Fahrkarten-Kontrolleure mit aggressiven Kunden rechnen. „In den Fahrerkabinen vieler Busse und Bahnen gibt es Notfallknöpfe, die bei Bedarf betätigt werden können“, sagt Axel Schad von der Nahverkehrsgewerkschaft in Köln. Auch werden für die Beschäftigten Deeskalationskurse angeboten. In den Seminaren wird die Vorgehensweise in brenzligen Situationen trainiert: als Erstes die Polizei rufen, dann Platzverweise erteilen und vor allem für die Sicherheit von unbeteiligten Fahrgästen sorgen.

Für Mitarbeiter im Kassenbereich von Supermärkten oder Tankstellen kann es ebenfalls gefährlich werden – bei einem Raubüberfall zum Beispiel. Davor schützt unter anderem die Technik: „Oft kann es auf potenzielle Täter schon abschreckend wirken, wenn sie im Eingangsbereich darauf hingewiesen werden, dass das Geschäft videoüberwacht wird“, sagt Karl-Josef Thielen von der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik in Bonn.

An vielen Kassen gibt es auch Notfallknöpfe für die Mitarbeiter, über die sie schnell Hilfe holen können. In Schulungen können die Beschäftigten außerdem das Verhalten im Falle eines Falles trainieren. Eine wichtige Botschaft: „Bei einem Überfall niemals den Helden spielen“, betont Thielen. Bevor sie verletzt werden, sollten Beschäftigte lieber das Geld herausrücken.


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