Kollege Roboter

(dpa/tmn) Vom Einkaufen über das Fernsehen bis zum Urlaub verändert die Digitalisierung alles. Das behaupten zumindest Forscher, Berater, Politiker und andere Experten. Das gilt nicht nur für das Privatleben, sondern vor allem für die Arbeitswelt. „Ich gehe davon aus, dass die meisten Arbeitnehmer ihren Job in 20 Jahren nicht mehr wiedererkennen werden“, sagt Kai Wächter, Mitglied der Geschäftsführung der Unternehmensberatung BearingPoint.

67005017.jpgDas Schlagwort Industrie 4.0 ist derzeit in aller Munde. Doch was bedeutet das für den Einzelnen? Auf jeden Fall sollten Arbeitnehmer sich den Neuerungen nicht verschließen, sondern versuchen, in ihrer Branche bei neuen Entwicklungen am Ball zu bleiben. Bild: dpa

Viel mehr Flexibilität

„Digitalisierung bedeutet vor allem, dass alles immer mehr von IT durchdrungen und miteinander vernetzt wird. Dadurch verändern sich Prozesse, die Organisation der Arbeit, und es entstehen auch neue Geschäftsmodelle, zum Beispiel Big Data“, erklärt Vanessa Barth. Sie ist Vorstandsmitglied der IG Metall. Erste Auswirkungen davon sind heute schon zu sehen. So gibt es zum Beispiel kaum einen Bürojob mehr, der ohne E-Mail auskommt. Berufliche E-Mails auf dem Smartphone zu empfangen, ist für viele Angestellte selbstverständlich. Im Vergleich zumkommenden Sturm ist das aber nurein laues Lüftchen.

Ein Grund zur Panik? Nicht unbedingt, sagt Vanessa Barth. Denn wieso vieles hat die Digitalisierung gute und schlechte Seiten. „Viele Arbeiten lassen sich durch Digitalisierung einfacher und schneller erledigen“, sagt die IG-Metall-Expertin. „Andererseits können aber ganze Arbeitsbereiche wegfallen – oder sie verändern sich grundlegend.“

„Nehmen Sie den klassischen Büro- oder Akademikerjob: Da gibt es durch die Digitalisierung viel mehr Flexibilität“, sagt Kai Wächter. „Um zusammen an einem Projekt zu arbeiten, müssen wir heute nicht mehr im selben Büro sitzen.“ Viele nervige Geschäftsreisen und Besprechungen fallen dadurch weg, das Arbeiten von zu Hause wird leichter. Beruf und Familie lassen sich viel besser vereinbaren.

Gleichzeitig steigen so die Anforderungen an den einzelnen Arbeitnehmer, so Wächter. „Ich muss in der Lage sein, diszipliniert und ergebnisorientiert an etwas zu arbeiten, selbst wenn ich räumlich von den Kollegen isoliert bin.“ Auch zielgerichtetes Kommunizieren wird wichtiger. Missverständnisse lassen sich im Home-Office nicht durch einen Besuch am Schreibtisch des Kollegen ausräumen.

Ich gehe davon aus, dass die meisten Arbeitnehmer ihren Job in 20 Jahren nicht mehr wiedererkennen werden. Kai Wächter, Unternehmensberater

In Fabriken macht sich die Digitalisierung etwa durch die immer größere Verbreitung von Robotern bemerkbar. Was das genau bedeutet, untersuchen die Forscher des FraunhoferInstituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Überflüssig wird der Mensch durch seine mechanischen Kollegen nicht, schreiben sie in der Studie „Produktionsarbeit der Zukunft“. Vollautomatische Produktionshallen wird es in absehbarer Zukunft nur in Ausnahmefällen geben.

Neue Konkurrenz

Die Rolle des Menschen in Fabriken wird aber eine andere sein, so die Forscher: Anstatt Routineaufgaben selbst zu erledigen, überwachen Menschen die Arbeit der Roboter, zum Beispiel mit einem Tablet. Motorische Fähigkeiten werden also weniger wichtig, analytische und intellektuelle Fähigkeiten dagegen umso entscheidender.

Auch für Köche, Friseure und andere Dienstleister könnte sich mit der Digitalisierung einiges ändern. Grund dafür ist die sogenannte Plattformökonomie. Deren Geschäftsmodelle bestehen vor allem darin, Dienste zu vermitteln und abzurechnen und Daten zu sammeln. Bestes Beispiel ist der Limousinen-Service Uber, der den klassischen Taxifahrern jetzt schon in vielen Städten Konkurrenz macht.

Ähnliche Entwicklungen sind für viele andere Märkte denkbar. „Bei solchen Tätigkeiten wird die Digitalisierung vor allem durch das Vernetzen und Verschmelzen von Branchen und Kanälen geprägt sein“, sagt Kai Wächer. „Schauen Sie sich nur mal an, welche Dienstleistungen heute schon von Onlineplattformen oder völlig automatisiert angeboten werden.“ Gut möglich, dass künftig andere Dienstleister durch Apps neue Konkurrenz bekommen.

Angst müssen Arbeitnehmer vor solchen Änderungen nicht haben, sagt Vanessa Barth. Aber vorbereitet sollten sie sein: „Arbeitnehmer sollten mit den Entwicklungen in ihrer Branche Schritt halten und sich konsequent weiterbilden.“ Das kann zum Beispiel bedeuten, einfach nur die Nachrichten rund um den eigenen Job zu verfolgen.

Verhalten anpassen

Konkret heißt es aber auch, sich mit neuer Software und neuen Tools eingehend zu beschäftigen. Im Idealfall passiert das direkt im Unternehmen. Es kann aber auch sein, dass Arbeitnehmer zu Autodidakten werden müssen. „Das lebenslange Lernen wird wichtiger“, sagt Kai Wächter. „Da sind Arbeitnehmer stärker auf sich selbst angewiesen, weil die Ausbildungsangebote mit der Entwicklung nicht immer Schritt halten.“

Allerdings geht es nicht nur um konkrete Kenntnisse, sagt Kai Wächter. „Natürlich brauchen Arbeitnehmer künftig auch mehr klassische technische Fähigkeiten, weil sie zum Beispiel die Tools für die virtuelle Zusammenarbeit bedienen können müssen.“ Wichtiger sei aber das, was er „kognitive Agilität“ nennt: Die Bereitschaft, sich mit neuen Entwicklungen zu beschäftigen und das eigene Verhalten an die Umstände anzupassen.


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.