Täglich steht das Murmeltier

Der lange Konferenztisch, die gemütlichen Sessel – und dann erstmal 90 Minuten Laberei. Solche schrecklichen Meetings gibt es natürlich noch immer. Doch der Trend geht längst woanders hin. Oder besser: Er steht.

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Weniger ist mehr: Für ein Standup sollten nicht zu viele Kollegen zusammenkommen. Denn in diesen Besprechungen sollte jeder zumindest kurz zu Wort kommen.

Bilder: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa, Foto- und Bilderwerk/dpa

Von Tobias Hanraths, dpa

Hamburg/Oldenburg. Zeit ist Geld – vor allem für ein Unternehmen. Jede Minute, die ein Mitarbeiter in einem sinnlosen Meeting vergeudet, ist eine verlorene Minute Produktivität. Und doch scheint es, als sei der Konferenz-Marathon einfach nicht totzukriegen. Im Gegenteil. „Es wird in Zukunft sogar noch viel mehr Meetings geben“, sagt Imeyen Ebong, Leiter der Praxisgruppe Organisation bei der Unternehmensberatung Bain & Company.

Der Grund dafür: Die Welt wird komplexer. Und damit werden die Entscheidungen, die Unternehmen oder Behörden treffen müssen, immer vielschichtiger. „Für Entscheidungen, die eine Führungskraft früher vielleicht einmal alleine treffen konnte, werden heute oft drei bis fünf Experten hinzugezogen“, sagt Ebong. „Und die müssen sich dann abstimmen.“

Doch wie soll man dann vor lauter Konferenzen noch zum Arbeiten kommen? „Die Frage ist ja, ob Meetings künftig noch die heutige Form haben müssen“, sagt Ebong – und meint damit gleich zwei Dinge. Erstens das Ziel der Treffen: Das sollte immer eine Entscheidung sein - nichts anderes. „Alles, wo es nur um Informationsvermittlung geht, sollte man ersatzlos streichen“, so der Experte. Schließlich gebe es heute genug andere Wege, Mitarbeiter inhaltlich ins Boot zu holen - vom Unternehmensblog bis zur simplen E-Mail.

Zweitens gehört aber auch die Organisation des Meetings auf den Prüfstand, sagt Ebong. „Muss es wirklich noch der klassische Konferenzraum sein, wo alle um einen Tisch sitzen – oder kann man nicht auch ein energiegeladeneres Format finden, also zum Beispiel kurz irgendwo stehen und schnell auf den Punkt kommen?“

Agil managen

Stehen statt sitzen – ein Trend, der in vielen Unternehmen schon angekommen ist. Und das natürlich, wie es sich gehört, mit einem schicken englischen Namen: Dem Standup. Macht man das täglich, heißt es dann Daily Standup.

„Die Idee kommt aus dem agilen Projektmanagement“, sagt Coach Ingo Steinke. Bei dieser Form des Managements organisieren sich die Mitarbeiter oft in Eigenregie, die Hierarchien sind flach, alles muss schnell gehen – entsprechend hoch ist der Abstimmungsbedarf. „Wenn man sich da nur einmal in der Woche oder gar im Monat trifft,sieht man Fehlentwicklungen oder falsche Abstimmungen oft viel zu spät“, sagt Steinke.

Es braucht einen Moderator, der erstens auf die Zeit und zweitens auf die Themen achtet.

Stefanie Hecker, Beraterin für Personalentwicklung

Ganz so agil geht es natürlich nicht überall zu – und doch führen selbst konservative Arbeitgeber inzwischen tägliche Stehkonferenzen ein. Einfach deshalb, weil es täglich etwas zu entscheiden gibt – und sei es nur die Teamaufteilung und das Tagespensum. „Unternehmen hierzulande haben ja grundsätzlich den Druck, nicht mehr nur innovativ, sondern dabei auch sehr schnell sein zu müssen“, sagt Steinke.

Damit die fixe Stehkonferenz tatsächlich Zeit spart, muss sie das langatmige Sitzmeeting ersetzen, und nicht ergänzen. Und sie sollte gut organisiert sein. „Ich muss klare Zielkorridore haben, ansonsten verliert man sich da schnell auf Nebenschauplätzen“, sagt Steinke.

Eine Tagesordnung braucht es dafür nicht, sagt Stefanie Hecker, Beraterin für Personalentwicklung. Wichtig sei aber ein immer gleicher Aufbau und ein immer gleicher Zeitpunkt – egal ob morgens, mittags oder abends. Und: Es muss jemand den Hut aufhaben. „Es braucht einen Moderator, der erstens auf die Zeit und zweitens auf die Themen achtet.“

Das heißt: Besprochen und entschieden wird im Standup nur, was bis zum nächsten Meeting dieser Art wichtig ist – alles andere hat dort nichts verloren, die langfristige Strategie zum Beispiel. Entsprechende Diskussionen muss der Standup-Leiter abwürgen.

Zudem muss der Moderator auf die Redeanteile achten, so Hecker. Denn im Idealfall kommt im Standup jeder zu Wort, und sei es nur kurz. „Das heißt dann für den Moderator, dass er die Introvertierten abholen muss“, sagt die Expertin. „Das heißt aber auch, dass man die Vielredner einbremsen muss – und vor allem die Meinungsführer, die sonst jede Diskussion dominieren.“ Wo jeder zu Wort kommt, darf es natürlich nicht zu voll sein. Mehr als zwölf Teilnehmer sollten es nicht sein, rät Hecker – ansonsten zerfällt die Runde in Grüppchen. „Da ist das Gespräch mit dem Nachbarn plötzlich interessanter als das, was der Kollege auf der anderen Seite gerade sagt.“

Positive Wirkung

Gut moderiert und organisiert, kann die positive Wirkung des Daily Standups dann weit über das bloße „Wer macht heute was?“ hinausgehen. „Im Idealfall sind solche kurzen Standup-Meetings sehr effizient, aber auch sehr persön- lich“, sagt Steinke. Ein Team, dessen Mitglieder sonst alleine im Büro oder hinter dem Computer hocken, kann sich in dieser Runde als Gruppe wahrnehmen.

Das macht die Arbeit netter – und verhindert im Konfliktfall das schlimmste. Das kennt Stefanie Hecker aus ihrer Beratungspraxis. Sie hat häufig mit Teams zu tun, in denen alle zerstritten sind und die Zusammenarbeit gar nicht mehr klappt. „Oft frage ich dann, ob es irgendeine Form der Regelkommunikation gibt – und die Antwort ist dann immer „Das hatten wir mal, aber das hat sich dann verlaufen.“

Daran könne man gut erkennen, wie wichtig tägliches Reden ist – und, dass die Kommunikation wirklich regelmäßig stattfindet. Hecker rät daher: Immer hinstellen, selbst am Brückentag mit halbierter Mannschaftsstärke. „Wenn man die Meetings dann weglässt, passiert es ganz schnell, dass sich das verläuft.“


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